Neben der grundlegenden Beratungstätigkeit des Sustainable Finance Beirat für die Bundesregierung zur Ausarbeitung und Umsetzung der nationalen Sustainable Finance-Strategie, berät der Beirat auch zur Positionierung in den nationalen und europäischen Diskussionen mit Bezug zu Sustainable Finance. Hier finden Sie aktuelle Stellungnahmen des Beirates.

Der Sustainable Finance-Beirat begrüßt die am 30. Juni veröffentlichte Vereinbarung von 16 Banken zur Ausrichtung der eigenen Geschäftstätigkeiten im Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen („Klimaselbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors“).

Wie im Zwischenbericht des Beirates dargelegt, verfügt Deutschland als wichtiger Technologie- und Industriestandort über ein enormes Potenzial, den Übergang hin zu CO2-neutralen Wirtschaftskreisläufen mitzugestalten und weltweit voranzutreiben. Ein gemeinsam abgestimmtes und zukunftsgerichtetes Handeln entlang der Zielsetzungen des Pariser Klimaschutzabkommens ist dafür unerlässlich.

Die Klimaselbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg. Sie markiert den Übergang von begrüßenswerten Zieldeklarationen zur notwendigen Konkretisierung von Maßnahmen und Prozessen. Das ist eine gute Grundlage, um den breiten Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft zu begleiten. Eine solche freiwillige Selbstverpflichtung kann allerdings gesetzliche Rahmenbedingungen und andere vom Beirat vorgeschlagene Maßnahmen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen bzw. ihnen den Weg bereiten.

Über die Dringlichkeit klimarelevanter Maßnahmen hinaus weist der Sustainable Finance-Beirat auf die notwendige Balance aller drei Dimensionen von Nachhaltigkeit hin. Nur im Gleichklang ökologischer, sozialer und ökonomischer Interessen lässt sich ein dauerhaft tragfähiges und wirksames Verständnis von Sustainable Finance entwickeln.

Wir fordern alle in Deutschland aktiven Banken, Fonds, Versicherungen sowie andere Finanzdienstleistungsunternehmen auf, sich den Erstunterzeichnern noch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft anzuschließen.

Am 17. April dieses Jahres hat sich der Sustainable Finance-Beirat (SFB) mit einer Stellungnahme in die Debatte zur nachhaltigen und zukunftsgerechten Ausrichtung von Konjunkturprogrammen zu COVID-19 zu Wort gemeldet.

Der SFB dankt der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance für ihre aktuelle Stellungnahme Wie kann Sustainable Finance ein Konjunkturpaket stärken? und nimmt sie zum Anlass, die Empfehlungen zu unterstreichen und weiter zu konkretisieren.

Wie im Papier der Wissenschaftsplattform ausgeführt, sind bei der Stimulierung schneller Wachstums- und Beschäftigungseffekte die sich hieraus ergebenden mittel- bis langfristigen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen und deren Vereinbarkeit mit gesetzten Politikzielen konsequent mit zu berücksichtigen. Mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens und der Aufnahme der Nachhaltigkeitsziele in die nationale Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Bundesregierung die Realisierung eines nationalen und internationalen Wirtschaftssystems auf die Fahnen geschrieben, das die Grenzen des Planeten und die Einhaltung anerkannter Sozialstandards berücksichtigt. Dies muss sich entsprechend in dem nun zu verabschiedenden Konjunkturprogramm niederschlagen. Hier kann der Vorschlag der Europäischen Kommission vom 27. Mai für einen mit dem European Green Deal verknüpften Aufbauplan als Leitplanke dienen.

Der Beirat unterstützt den Vorschlag der Wissenschaftsplattform, durch drei ineinandergreifende Maßnahmen das Konjunkturpaket mit Sustainable Finance zu verknüpfen:

  • Erstens, die Evaluierung der Maßnahmen des Konjunkturpakets hinsichtlich ihrer unterstützenden Wirkung auf die Realisierung der Sustainable Development Goals (SDGs). Diese Maßnahme ist in den Augen des Beirats ein wesentlicher Schritt, um die nachhaltige Ausrichtung der Verwendung von Steuermitteln durch die Öffentliche Hand transparent zu machen. Allerdings erwächst hieraus auch aus Sicht des SFB keine direkte relevante politische Steuerung.
  • Daher ist zweitens eine Ergänzung durch einen „Klima-Schnelltest“ notwendig, der alle klimarelevanten Investitionsvorhaben anhand von Mindeststandards prüft. Für die Identifizierung klimarelevanter Aktivitäten soll die Einstufung der Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG) herangezogen werden, entsprechende Mindeststandards sind beispielsweise im KfW-Förderprogramm „Klimaschutzoffensive für den Mittelstand“ bereits etabliert.
  • Drittens, wird für die Empfänger von Fördermaßnahmen eines Konjunkturprogrammes die nichtfinanzielle Berichterstattung auf Unternehmensebene ausgeweitet, und zwar in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße. Dies schafft langfristig Transparenz über die Rolle der Dekarbonisierung in den Unternehmen, ohne kurzfristig weitere Hürden aufzubauen.

Zusammengenommen würden diese Maßnahmen zum einen die Transparenz bei der Gestaltung und schrittweisen Umsetzung eines Konjunkturpaktes stärken und zum anderen dazu beitragen, dass die Nachhaltigkeitsziele auf Unternehmensebene stärker verankert werden.

Die COVID-19-Krise stellt Politik und Gesellschaft vor beispiellose Herausforderungen. Um die sozialen und ökonomischen Effekte der Pandemie abzufedern, kann die Bundesregierung nicht auf Erfahrungen und bewährte Rezepte zurückgreifen. Es ist offensichtlich, dass die staatlichen Soforthilfemaßnahmen in ihren Größenordnungen ohne Vorbild und Vergleich sind – weltweit. Diese Maßnahmen werden in den kommenden Monaten voraussichtlich noch um weitere Impulse und konkrete Konjunkturprogramme ergänzt werden; die Debatten hierzu haben bereits begonnen.

Angesichts der massiven gesellschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen Herausforderungen liegt der Fokus derzeit auf der kurz- und mittelfristigen Bewältigung der Krise. Die dafür mobilisierten Kräfte und Ressourcen werden sehr langfristig wirkende Effekte haben und müssen deswegen gleichermaßen dazu beitragen, langfristige Herausforderungen zu lösen – insbesondere die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und mehr Nachhaltigkeit. Der Umgang mit COVID-19 hat viele insbesondere soziale Nachhaltigkeitsthemen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gehoben. Wie andere exponentiell wachsende Krisen – etwa dem Klimawandel – handelt es sich um ein weiteres Phänomen, das die Bedeutung resilienter Wirtschaftsstrukturen illustriert.

Die vor der COVID 19-Krise immer deutlicher gewordenen Risiken von nicht-nachhaltigen Pfadabhängigkeiten für Kosten, Vermögenswerte und Stabilität sind heute umso relevanter. Nicht zuletzt aus einer Risikoperspektive wäre es unverantwortlich, wenn Konjunkturprogramme mit den vereinbarten Klimazielen und den Sustainable Development Goals (SDGs) nicht im Einklang stehen oder gar kollidieren/ im Gegensatz stehen. Es muss eine Situation vermieden werden, in der die Alternative zwischen Verfehlung der genannten Nachhaltigkeitsziele oder einer massiven Menge von stranded assets besteht.

Entsprechend müssen politische Entscheidungsprozesse konsequent daran ausgerichtet werden, welche wirtschaftlichen Strukturen und Entwicklungen in der Zukunft als tragfähig erachtet werden. Dies zahlt sich im Kontext der Finanzmärkte etwa in stabilen und resilienten Märkten aus. Gesamtwirtschaftlich geht es um die Realisierung eines nationalen und internationalen Wirtschaftssystems, das die Grenzen des Planeten berücksichtigt und diese in Einklang mit den politischen Zielen und Verpflichtungen bringt.

Die für anstehende Konjunkturprogramme mobilisierten Mittel werden in den kommenden Jahren wohl ohne Beispiel bleiben. Hieraus ergibt sich eine historische Chance für die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit. Die Programme müssen transparent im Einklang mit Zielen wie den SDGs, dem Pariser Klimaabkommen sowie der Ambition der Europäischen Union, im Jahr 2050 klimaneutral zu sein, ausgerichtet werden.

Für die Bundesregierung bietet sich nicht zuletzt angesichts der baldigen deutschen EU- Ratspräsidentschaft die Chance, der europäischen Idee durch solidarisch ausgerichtetes Handeln dringend benötigte Substanz und Perspektive und für die Zukunft Rückhalt zu geben. Konjunkturelle Maßnahmenpakete sollten deshalb auf Basis der Ansätze der Europäischen Kommission im Sinne des Net-Zero 2050 Ziels und des mehrjährigen EU-Finanzrahmens ausgestaltet werden, insbesondere den Aktivitäten im Rahmen des European Green Deal und des Sustainable Finance Aktionsplans, sowie der Taxonomie Verordnung.

Mit Sustainable Finance die Krise meistern – Konkrete Vorschläge

Einige der im Zwischenbericht des Sustainable Finance-Beirats genannten Vorschläge können dazu beitragen, den Neustart der Konjunktur in den nächsten Wochen und Monaten mit Nachhaltigkeit zu verbinden.

Für die erhöhte Kreditaufnahme der Bundesrepublik und der Bundesländer bietet sich die vermehrte Auflegung von grünen Anleihen bzw. eines Sovereign SDG-Bonds zur Bekämpfung bzw. Milderung der negativen ökonomischen und sozialen Folgen der COVID-19 Pandemie an – dies schafft attraktive Produkte an den Märkten und würde helfen, diesem Segment in Deutschland einen entscheidenden Schub zu verschaffen. Die freiwilligen Leitlinien der ICMA (Social Bond Principles sowie Sustainability Bond Guidelines) bieten ausreichend förderungswürdige Projektkategorien, die sich im gegenwärtigen und künftigen Haushalt wiederfinden. Neben Bundesanleihen könnte auch die Emission von SDG-Bonds auf EU-Ebene erwogen werden.

Weiterhin ist die Ausgestaltung der erforderlichen Rahmenbedingungen und die Förderung von mehr nachhaltigen Projekten in Industrie und Infrastruktur in Deutschland und Europa, die Investitionsmöglichkeiten für Anleger schafft, von besonderer Bedeutung. Ähnliches gilt für die Entwicklung staatlicher Garantiesysteme für nachhaltige Investitionen. Mit beiden Initiativen würden zeitnah Multiplikator-Effekte entstehen, die Marktentwicklungen etwa in Bereichen wie der Mobilität oder Energiespeicherung unterstützen und notwendige Innovation etwa in Produktionsverfahren oder Zirkularwirtschaft stimulieren. So würden zukunftsfähige neue Arbeitsplätze in Europa befördert und zudem neue Anlagemöglichkeiten geschaffen.

Im Bereich der Unternehmensfinanzierung steht derzeit die akute Insolvenzvermeidung an erster Stelle. Dennoch ist eine differenzierte Sicht auf die anstehenden Kreditfinanzierungen sinnvoll und richtig. Der Sustainable Finance-Beirat fordert die Bundesregierung auf, sich an der bereits etablierten und erfolgreichen Fördermittelkreditpolitik zu orientieren und einen Anreiz, das Unternehmen nachhaltiger auszurichten, an das Kreditlaufzeitende zu legen. Dies kann als ein an nachhaltige Bedingungen geknüpfter Tilgungszuschuss aus staatlichen Mitteln ausgestaltet werden, möglich wäre etwa eine Verknüpfung der Kredite an 1,5-Grad-Strategien auf Basis von Benchmarks oder KPIs.

Der Sustainable Finance-Beirat wird die Vorschläge der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance zu diesem Thema in seine Arbeit zur Erstellung des Abschlussberichtes einfließen lassen.

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